Im Forschungsprojekt RCC2 arbeitete ein branchenübergreifendes Konsortium, bestehend aus
STRABAG Real Estate,
Doka,
Romm ZT,
Mischek ZT,
bauXund,
CarStorCon Technologies,
MPA Hartl sowie den Betonherstellern
Asamer,
Holcim und
Wopfinger. Das gemeinsame Ziel war, die technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Hürden zur Etablierung von CO
2-reduziertem Performance-Beton zu überwinden und den Weg für einen „klimafitten“ Baustoff auf Österreichs Baustellen zu ebnen.
Im Vorgängerprojekt
RCC (Reduced Carbon Concrete) untersuchte das Konsortium bereits im Jahr 2021 den praxisnahen Baustelleneinsatz von klinkerreduzierten Betonrezepturen. Im Vergleich zu Standardbeton haben diese sogenannten RCC-Betone einen stark reduzierteren CO
2-Fußabdruck, aber einen Nachteil: Sie brauchen länger zum Aushärten, besonders bei niedrigen Außentemperaturen. Dies führt in der Praxis zu einer Verlängerung der Bauzeit und zu höheren Kosten, da sich z. B. das Ausschalen verzögern kann und das Schalungsmaterial länger auf der Baustelle im Einsatz ist.
Ökobilanzierung im Fokus
Forschungsmittelpunkt der aktuellen Studie ist ein von Doka entwickelter, funktionaler Prototyp einer intelligent beheizbaren Schalung. Damit soll die verzögerte Festigkeitsentwicklung von RCC-Betonen bei niedrigen Umgebungstemperaturen ausgeglichen werden. Auch eine strombetriebene Beheizung der Schalung verbraucht Energie, deren Erzeugung wiederrum CO
2 emittiert – dies ist den Projektbeteiligten bewusst. Durch den Einsatz von Strom aus erneuerbarer Energie und dem smarten Einsatz der Beheizung des Bauteils, kann dieser scheinbare „Widerspruch" entkräftet werden. Die Ökobilanzierung von beheizbaren Schalungen für klinkerreduzierten Beton ist daher ein wichtiger Schlüssel zur Bewertung der Nachhaltigkeit und der sinnvollen Verwendung innovativer RCC-Rezepturen.
Im Kooperationsprojekt wurde zudem daran geforscht, wie diese innovativen Betonrezepturen noch klimafreundlicher weiterentwickelt werden können, indem technischer Kohlenstoff auf Pflanzenkohlebasis hinzugefügt wird.
Umfangreiche Versuchsreihen
Das Projektteam führte umfangreiche Testreihen durch, die sowohl Sommer- als auch Winterbedingungen simulierten. Jede Versuchsreihe umfasste Decken- und Wandteile mit je 3 unterschiedlichen Rezepturen: einen Standardbeton (als Referenz), eine CO
2-reduzierte Betonrezeptur (RCC2) und eine CO
2-reduzierte Betonrezeptur mit technischem Kohlenstoff (RCC2+). Alle Bauteile wurden normkonform laborüberwacht und mithilfe des Betonmonitoringsystems Concremote von Doka hinsichtlich ihrer Temperaturentwicklung dokumentiert. So war es den Projektpartner:innen zu jedem Zeitpunkt möglich, auf die Festigkeitsentwicklung der einzelnen Mischungen zu schließen.
Ergebnisse der Erforschung von CO2-reduzierten Betonen
Ausgangspunkt für die durchgeführten Winterversuche sind die Referenzwerte der Sommerreihe: Hier haben alle getesteten Betonrezepturen die erforderlichen Festigkeiten zum Ausschalen nach 24 Stunden erreicht. Aufgrund der verzögerten Festigkeitsentwicklung von RCC-Betonen wurde daher im Winterversuch ein Bauteil je Rezeptur mit und ein Bauteil ohne Heizschalung errichtet.
Die Versuche zeigten klar, dass sich bei den Wintertests mit niedrigen Umgebungstemperaturen eine beheizbare Schalung als entscheidend erwies, um die Festigkeitsentwicklung der RCC-Mischungen zu unterstützen. So können Schäden an den Betonbauteilen vermieden werden, die aufgrund der Temperaturverhältnisse unter 0 Grad Celsius entstehen würden.
Des Weiteren kann festgehalten werden, dass klinkerreduzierter Beton, insbesondere wenn technischer Kohlenstoff hinzugefügt wird, das Potenzial hat, die CO
2-Bilanz von Beton erheblich zu verbessern. So liegt bei der untersuchten Betonrezeptur RCC2+ (mit technischem Kohlenstoff) das CO
2-Einsparpotential gegenüber dem Referenzbeton bei etwa 80% für Decken (ohne Heizung). Bei winterlichen Temperaturen mit Unterstützung durch eine beheizbare Schalung liegt das Potenzial der CO
2-Reduktion von RCC2+ noch immer bei 67%.
Die Versuche mit dem funktionalen Prototypen einer intelligent beheizbaren Schalung von Doka schaffen eine wichtige Perspektive für einen branchenweiten Einsatz von CO
2-reduziertem und bilanziell klimaneutralem Beton unabhängig von Temperatur, Baustellenbedingungen sowie abhängig vom Baufortschritt auch unter Einhaltung gewohnter Ausschalzeiten.
SOLEY - Pilotprojekt mit RCC-Beton im Wohnbau
In der Leystraße in Wien-Brigittenau errichtet STRABAG Real Estate mit dem Projekt SOLEY ein wegweisendes Energie- und Klima-Vorzeigeprojekt: Erstmals findet ein CO
2 reduzierter Performance-Beton Anwendung im modernen Wohnbau. Zusätzlich wird das Haus über eine Photovoltaikanlage inkl. Batteriespeicher mit Strom versorgt und ist dank Grundwasserwärmepumpe auch in puncto Heizung von fossilen Brennstoffen unabhängig.
Zusammenarbeit der Branche
Aufgrund seiner einzigartigen statischen und bauphysikalischen Eigenschaften wird auch in Zukunft kein Weg am Baustoff Beton vorbeiführen. Ebenso unbestritten ist, dass die radikale Verringerung des CO
2-Fußabdrucks von Beton eine der dringlichsten ökologischen Aufgaben im Bausektor ist. Forscher:innen, Industrie und Politik arbeiten daher an verschiedenen Lösungen, wie der Reduktion von Klinker, CO
2-Kreislaufprozessen oder Carbon-Capture-Programmen.
Das Forschungsprojekt RCC2 unterstreicht die Wichtigkeit der Zusammenarbeit in der Branche. Durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Expert:innen entstehen innovative Möglichkeiten zur Dekarbonisierung des wichtigsten Baustoffs, ohne auf die Leistungsfähigkeit des Materials verzichten zu müssen.
Robert Hauser, CEO Doka GmbH: Das Forschungsprojekt RCC2 ist ein wichtiger Meilenstein in der Erforschung von klimafittem Bauen mit Beton. Doch wenn wir CO2-reduzierte Betone effizient und sicher auf der Baustelle einsetzen wollen, müssen wir uns auch mit der Schalung beschäftigen. Unser Fokus liegt deshalb auf Innovationen entlang der Nahtstelle Schalung-Beton, um im Zuge unseres Ziels Net-Zero 2040 auch die Dekarbonisierung der Baustelle voranzutreiben.